Unterrichtsmodul

Zeitungen und Nationalismus

von Stefan Hechl (Universität Innsbruck)

Visualisierung von fünf in diesem Modul behandelten Zeitungsartikeln zum Thema Nationalismus in Österreich (Aufgabe aus dem Arbeitsblatt 4). Verwendetes Tool: Voyant Tools


Altersgruppe

13 bis 14 Jahre  (3. Unterstufenjahr)

Gegenstand

Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung

Lehrplan

Modul 8 (Politische Bildung): Identitäten

Zielsetzung

Thema: Verstehen, Analysieren und Hinterfragen von Nationalismus, nationalen Identitäten und Gefühlen.

Methode: Verwendung von Zeitungen als Quellen

Situation und Vorkenntnisse

Dies ist das erste Mal, dass die Gruppe mit (digitalisierten historischen) Zeitungen als Quellen arbeitet. Die Schüler*innen haben zuvor mit anderen Quellen, z. B. Bildern, gearbeitet und verfügen somit über ein Grundverständnis von Quellenkritik. Sie sind technisch versiert und verfügen über die notwendige Ausrüstung (Laptops oder Tablets). Die Gruppe hat bereits ein Basiswissen zur (hauptsächlich europäischen und österreichisch/deutschsprachigen) Geschichte bis ins 19. Jahrhundert. 

Zeit

4 x 50 Minuten




Lehrplanbezug

Kompetenzkonkretisierung:

  • Politische Urteile hinsichtlich ihrer Qualität, Relevanz und Begründung beurteilen;
  • Eigene politische Urteile fällen und formulieren;
  • Interessens- und Standortgebundenheit politischer Urteile feststellen;

Thematische Konkretisierung:

  • Die Begriffe Identität und Identitätsbildung erklären und problematisieren;
  • Zwischen Selbst- und Fremdbild unterscheiden sowie die Bereitschaft zur Selbstreflexion entwickeln;
  • Bausteine nationaler Identitäten hinterfragen, Entstehungsmechanismen von Nationalismus analysieren;
  • Die Frage der europäischen Identitätsbildung zwischen nationalen Interessen und globalen Herausforderungen diskutieren.

Modulplanung: 4 Unterrichtsstunden á 50 Minuten

1

2

3

4

Einführung: Was ist Identität? Klischees, Stereotypen, usw.

Überleitung zu nationaler Identität. Was macht Österreich(er*innen) aus? Theorie/Input: Was ist eine Nation? Seit wann? Woher kommt das Gefühl? Überleitung → Massenmedien → Zeitungen!

(Digitale) Zeitungen als Quelle

 

Was ist eine Zeitung? Als Quelle sinnvoll? Wo finde ich sie (→ ANNO)? Leitfaden zur Quellenarbeit!

Die Bildung der Nation

Gruppenarbeit mit ausgewählten Zeitungsartikeln zur Bildung der Nation

Resümee & Ausblick:

Europäische Identität (Europäische Integration kommt später als eigenes Modul)


Ausschnitt aus der Zeitung "Salzburger Nachrichten" vom 22.06.1945 aus dem Online-Zeitungsportal "ANNO"


1. Unterrichtseinheit: Was ist (nationale) Identität?

ZEIT

THEMA

METHODE / SOZIALFORM

ABLAUF

ZIELE

MATERIAL

Einstieg

10 min

Reflexion über die eigene Identität: Wer, was, wie bin ich?

Einzelarbeit mit Arbeitsblatt

Schüler:innen erhalten ein Arbeitsblatt, das eine Silhouette einer menschlichen Figur zeigt, und sollen diese mit mind. 15 Beschreibungen von sich selbst füllen (Nach dem Muster „Ich bin…“). Die Lehrperson macht dies an der Tafel als Beispiel.

Vorwissen aktivieren, eigene Identität hinterfragen

Arbeitsblatt 1 „Person“ (schema-tischer Umriss einer mensch-lichen Figur)

Erarbeitung

10 min

Was ist eine Identität?

 

Was ist nationale Identität? Wie ist die österreichische nationale Identität?

Brainstorming

An der Tafel sollen die Schüler:innen die Sätze „Österreich ist…“ und „Österreicher:innen sind…“ vervollständigen und erklären, wieso sie gewisse Dinge aufgeschrieben haben. Es wird kurz darüber diskutiert und das Ergebnis für später gespeichert (z. B. Foto, Screenshot)

Vorwissen aktivieren, Kenntnisstand der Schüler:innen zum Thema einschätzen

Tafel / White-board oder digitale Variante

 

 

25 min

Überblick: Geschichte nationaler und anderer Identitäten und deren Entstehung

Frontaler Input mit visueller Unterstützung (je nach Vorwissen der Klasse zu gestalten)

Die Lehrperson gibt einen kurzen frontalen Input zur Geschichte nationaler Identitäten  / Bewegungen usw. – Fragen sind erlaubt und ausdrücklich erwünscht

Sachkompetenz zum Thema „Nation & Nationalismus“ stärken

Folien mit Input zum Thema

Abschluss

5 min

Wie entstehen nationale Identitäten?

Think-Pair-Share

„Cliffhanger“ (Frage zum Ende der Stunde, Auflösung erst in der nächsten Stunde)

Lehrperson fragt „Wie entsteht nationale Identität?“, es folgt eine kurze Think-Pair-Share Diskussion, das Thema „Zeitungen“ wird aber noch offen gelassen bis zur nächsten Stunde.

Schüler:innen sollen verstehen, dass nationale Identität nicht einfach aus dem Nichts entsteht

 

2. Unterrichtseinheit: (Digitale) Zeitungen als Quelle

ZEIT

THEMA

METHODE / SOZIALFORM

ABLAUF

ZIELE

MATERIAL

Einstieg

5 min

Nationale Identitäten und deren Entstehung durch Zeitungen

Diskussion im Plenum / sokratischer Dialog

Die Klasse fasst gemeinsam die letzte Stunde zusammen und zählt Wege auf, um nationale Identität zu schaffen. Falls Zeitungen nicht genannt werden, führt die Lehrperson die Klasse langsam fragend dazu hin.

Erinnerung an die erste Stunde, Vorstellung von Zeitungen als nützlichem Werkzeug für die Bildung nationaler Identität

 

Erarbeitung

20 min

Wie lese und analysiere ich einen Zeitungstext?

Diskussion im Plenum

Der Leitfaden wird ausgeteilt und Schritt für Schritt anhand eines kurzen Beispieltextes besprochen.

Stärkung der Methoden-kompetenz bzgl. Analyse und De-Konstruktion von Textquellen (Zeitungen)

Arbeitsblatt 2 Leitfaden zum Arbeiten mit Zeitungen (am besten laminiert)

15 min

Wie und wo finde ich online historische Zeitungen?

Gemeinsames Arbeiten  / Lehrperson zeigt am PC/Beamer vor

Kurzes Brainstorming: Wo finden wir digitalisierte Zeitungen? Lehrperson zeigt dann ANNO und wichtige (Such)funktionen. Gemeinsames Herumprobieren.

Schüler:innen auf die vielen Möglichkeiten und Vorteile digitaler Zeitungsarchive aufmerksam machen

PC / Beamer

Abschluss

10 min

Arbeiten mit ANNO

„Schnitzeljagd“

Schüler:innen erhalten das Arbeitsblatt, das erste Beispiel wird gemeinsam gelöst. Dann arbeiten die Schüler:innen allein oder zu zweit, bei Bedarf müssen die restlichen Aufgaben zu Hause erledigt werden.

Schüler:innen das ANNO-Interface näherbringen, Tipps für effektives Recherchieren in ANNO geben

Arbeitsblatt 3 „Schnitzeljagd“

3. Unterrichtseinheit: Zeitungen und Nation-Building (Gruppenarbeit)

ZEIT

THEMA

METHODE / SOZIALFORM

ABLAUF

ZIELE

MATERIAL

Einstieg

10 min

Kontrolle der „Hausübung“

Frontal/Diskussion im Plenum

Lehrperson fragt, ob es Probleme mit der Hausübung / letzten Aufgabe gab. Ein oder zwei Beispiele werden gemeinsam noch einmal durchgegangen.

Sicherstellen, dass alle mit ANNO vertraut sind

PC/Beamer

Erarbeitung

10 min

Einführung in die Gruppenarbeit

Frontal/Diskussion im Plenum

Die Klasse wird in Gruppen geteilt, das Arbeitsblatt ausgeteilt und die Anweisungen detailliert besprochen.

Sicherstellen, dass alle den Arbeitsauftrag verstanden haben

Arbeitsblatt 4 Gruppenarbeit

30 min

Gruppenarbeit: Zeitungen und Nation-Building

Arbeit in Gruppen; Lehrperson hilft wo nötig

Die Klasse arbeitet in Gruppen, die Lehrperson hilft, wo es notwendig ist, wenn generelle Fragen aufkommen oder bei technischen Problemen.

Anhand eines Beispiels die Berichterstattung über österreichische nationale Identität im 20. Jahrhundert erforschen (Quellen siehe unten)

Arbeitsblatt 4

 

Gruppenarbeit

 

Internetzugang

4. Unterrichtseinheit: Zusammenfassung & Ausblick (eine europäische Identität?)

ZEIT

THEMA

METHODE / SOZIALFORM

ABLAUF

ZIELE

MATERIAL

Einstieg

5 min

Ende der Gruppenarbeit; letzte Vorbereitung für Kurz-präsentationen

Gruppenarbeit

Gruppen erhalten noch kurz Zeit, um sich an die letzte Stunde zu erinnern und ihre Kurz-präsentationen fertigzustellen. Lehrperson beantwortet letzte Fragen.

Erinnerung an die letzte Stunde, Fertigstellen der Kurz-präsentationen

 

Erarbeitung

25 min

Österreichische nationale Identität im 20. Jahrhundert in den Zeitungen

Kurz-präsentationen der Gruppen

Die Gruppen präsentieren in chronologischer Reihenfolge ihre Ergebnisse (jeweils 5 min inkl. Fragen)

Nachvollziehen der Veränderungen der österreichischen nationalen Identität im Laufe des 20. Jahrhunderts & wie diese in den Tageszeitungen artikuliert wurde

Plakat oder Folien der Gruppen

10 min

Zusammenfassung und Fazit der Gruppenarbeit

Diskussion im Plenum

Die Lehrperson fasst die Ergebnisse der Gruppen zusammen, beantwortet ggf. offene Fragen und demonstriert kurz die Tools Google nGram Viewer und Voyant (letzteres anhand der eben bearbeiteten Artikel)

Abschluss

10 min

Ausblick: Europäische Identität?

Diskussion im Plenum

Foto/Screenshot der Ergebnisse vom Brainstorming zur österreichischen Identität aus der ersten Stunde wird gemeinsam noch einmal angeschaut und besprochen: Würdet ihr jetzt etwas ändern? Woher kommen diese Sachen? War das immer schon so? Abschließend wird diskutiert, ob es so etwas wie eine europäische Identität gibt. 

Bogen zurück zur ersten Stunde spannen, österreichische Identität erneut reflektieren und in Zusammenhang mit europäischer Identität stellen

Ergebnisse des Brainstorming aus der 1. Stunde

Arbeitsblatt 1: Person

Ich bin...

Arbeitsblatt 2: Leitfaden zur Arbeit mit historischen Zeitungstexten

Seit über hundert Jahren erscheinen jeden Tag unzählige Zeitungen und berichten über alles, was auf der ganzen Welt passiert. Deswegen können wir aus Zeitungen sehr viele Informationen über die Vergangenheit bekommen. Neben Bildern bestehen Zeitungen vor allem aus Text. Wie du mit Zeitungstexten am besten umgehst, erfährst du in diesem Leitfaden.

 

1. LESEN und BESCHREIBEN

Lies den Text einmal in Ruhe durch. Es ist nicht schlimm, wenn du nicht alles auf Anhieb verstehst. Zuerst ist es nur wichtig, alles einmal zu lesen und zu schauen, worum es geht.

 
  • Aus welcher Zeitung stammt der Text?
  • Von welchem Datum ist die Zeitung?
  • Wie lautet die Überschrift des Textes?
  • Wer ist die Autorin?
  • Was ist das Thema des Textes?
  • Markiere alle Wörter/Ausdrücke, die du nicht verstehst.
 

2. ANALYSIEREN und INTERPRETIEREN

Wenn du die ersten Fragen beantwortet hast, solltest du den Text noch einmal durchlesen. Weil du jetzt weißt, worum es ungefähr geht, wirst du den Text sicher schon besser verstehen. 

 
  • Schlag jetzt alle Wörter/Ausdrücke nach, die du nicht verstanden hast.
  • Versuche in wenigen Sätzen die wichtigsten Punkte des Textes zusammenzufassen. 
  • Welche Personen, Orte und Ereignisse, die du kennst, kommen im Text vor?
  • Ist der Text eher positiv oder negativ? Wird irgendetwas/irgendjemand gelobt oder kritisiert?
  • Gibt es im Text eine Forderung? Was könnte das Ziel der Autorin sein?
 

3. STELLUNG BEZIEHEN

Jetzt kennst du den Text und kannst dir selber eine Meinung dazu bilden.

 
  • Findest du persönlich den Artikel gut oder schlecht?
  • Stimmst du der Autorin zu? Wenn nein, warum?
  • Was glaubst du, wie haben die Leserinnen damals auf den Artikel reagiert?
 

Arbeitsblatt 3: “Schnitzeljagd”

Verwende die Website http://anno.onb.ac.at/ und suche nach den folgenden Zeitungen/Artikeln.

Kopiere die Links zu jeder Zeitung oder Seite, auf der ein Artikel zu finden ist, in ein Word-Dokument.  

 

Beispiel:  – Eine Zeitung, die am 11. November 1918 über Kaiser Karl berichtet hat

 

  1. …die „Neue Freie Presse“ vom 18. Mai 1923
  2. …eine Zeitung, die genau 100 Jahre vor deinem Geburtstag erschienen ist
  3. …die allererste Ausgabe der Zeitung „Neues Österreich“
  4. …einen Artikel aus dem 20. Jahrhundert, in dem dein Heimatort erwähnt wird
  5. …eine Zeitung, die in Wien auf Italienisch erschienen ist
  6. …die erste Ausgabe der „Österreichischen Zeitung“ nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs
  7. …einen Artikel zum Thema Frauenwahlrecht
  8. …einen Artikel aus einer österreichischen Zeitung, wo über das Ende des Ersten Weltkriegs berichtet wird
  9. …einen Artikel zu irgendeinem Thema, das dich persönlich interessiert 

 

 

Arbeitsblatt 4: Gruppenarbeit

Arbeitsauftrag Gruppe 1


 „Die Volksrepublik Deutschösterreich“ im Deutschen Volksblatt, 13. November 1918 (Seite 2)

Lest den Artikel zuerst einzeln und beachtet dabei den Leitfaden zur Arbeit mit historischen Zeitungstexten.

Besprecht in der Gruppe folgende Fragen:

  • Was ist der geschichtliche Kontext? Über welches Ereignis wird hier berichtet?
  • Welche Wörter fallen euch in Zusammenhang mit „Österreich“ in diesem Artikel auf? Wie wird Österreich beschrieben?
  • Wird hier eher eine positive oder negative Stimmung gegenüber Österreich erzeugt/beschrieben?

Fragt eure Lehrperson anschließend um eine digitale Version der Artikels und ladet den Text auf http://voyant-tools.org/ hoch.

  • Probiert dort die Tools Cirrus, Links und Document Terms aus. 
  • Nutzt bei Bedarf die Voyant-Hilfeseite unter https://voyant-tools.org/docs/.
  • Was könnt ihr damit über den Text und wichtige Wörter herausfinden?
  • Fasst die wichtigen Wörter auf einer Folie zusammen und speichert eine Voyant-Grafik, die euch interessant erscheint.

 

Arbeitsauftrag Gruppe 2


 „Die Volksabstimmung über den Anschlußwillen Tirols“ im Allgemeinen Tiroler Anzeiger, 23. April 1921 (S. 1)

Lest den Artikel zuerst einzeln und beachtet dabei den Leitfaden zur Arbeit mit historischen Zeitungstexten.

Besprecht in der Gruppe folgende Fragen:

  • Was ist der geschichtliche Kontext? Über welches Ereignis wird hier berichtet?
  • Welche Wörter fallen euch in Zusammenhang mit „Österreich“ in diesem Artikel auf? Wie wird Österreich beschrieben?
  • Wird hier eher eine positive oder negative Stimmung gegenüber Österreich erzeugt/beschrieben?

Fragt eure Lehrperson anschließend um eine digitale Version der Artikels und ladet den Text auf http://voyant-tools.org/ hoch.

  • Probiert dort die Tools Cirrus, Links und Document Terms aus. 
  • Nutzt bei Bedarf die Voyant-Hilfeseite unter https://voyant-tools.org/docs/.
  • Was könnt ihr damit über den Text und wichtige Wörter herausfinden?
  • Fasst die wichtigen Wörter auf einer Folie zusammen und speichert eine Voyant-Grafik, die euch interessant erscheint.

 

Arbeitsauftrag Gruppe 3


 „Ans Heimatland, ans teure, schließ dich an!“ im Tiroler Anzeiger, 10. März 1938 (S. 1)

Lest den Artikel zuerst einzeln und beachtet dabei den Leitfaden zur Arbeit mit historischen Zeitungstexten.

Besprecht in der Gruppe folgende Fragen:

  • Was ist der geschichtliche Kontext? Über welches Ereignis wird hier berichtet?
  • Welche Wörter fallen euch in Zusammenhang mit „Österreich“ in diesem Artikel auf? Wie wird Österreich beschrieben? 
  • Wird hier eher eine positive oder negative Stimmung gegenüber Österreich erzeugt/beschrieben?

Fragt eure Lehrperson anschließend um eine digitale Version der Artikels und ladet den Text auf http://voyant-tools.org/ hoch.

  • Probiert dort die Tools Cirrus, Links und Document Terms aus. 
  • Nutzt bei Bedarf die Voyant-Hilfeseite unter https://voyant-tools.org/docs/.
  • Was könnt ihr damit über den Text und wichtige Wörter herausfinden?
  • Fasst die wichtigen Wörter auf einer Folie zusammen und speichert eine Voyant-Grafik, die euch interessant erscheint.

 

Arbeitsauftrag Gruppe 4


„Österreicher!“ in Neues Österreich, 23. April 1945 (Seite 1)

Lest den Artikel zuerst einzeln und beachtet dabei den Leitfaden zur Arbeit mit historischen Zeitungstexten.

Besprecht in der Gruppe folgende Fragen:

  • Was ist der geschichtliche Kontext? Über welches Ereignis wird hier berichtet?
  • Welche Wörter fallen euch in Zusammenhang mit „Österreich“ in diesem Artikel auf? Wie wird Österreich beschrieben?
  • Wird hier eher eine positive oder negative Stimmung gegenüber Österreich erzeugt/beschrieben?

Fragt eure Lehrperson anschließend um eine digitale Version der Artikels und ladet den Text auf http://voyant-tools.org/ hoch.

  • Probiert dort die Tools Cirrus, Links und Document Terms aus. 
  • Nutzt bei Bedarf die Voyant-Hilfeseite unter https://voyant-tools.org/docs/.
  • Was könnt ihr damit über den Text und wichtige Wörter herausfinden?
  • Fasst die wichtigen Wörter auf einer Folie zusammen und speichert eine Voyant-Grafik, die euch interessant erscheint.

 

Arbeitsauftrag Gruppe 5


 „Der Tag der Freiheit“ in der Arbeiter-Zeitung (Extra-Ausgabe), 15. Mai 1955, S. 1–2

Lest den Artikel zuerst einzeln und beachtet dabei den Leitfaden zur Arbeit mit historischen Zeitungstexten.

Besprecht in der Gruppe folgende Fragen:

  • Was ist der geschichtliche Kontext? Über welches Ereignis wird hier berichtet?
  • Welche Wörter fallen euch in Zusammenhang mit „Österreich“ in diesem Artikel auf? Wie wird Österreich beschrieben?
  • Wird hier eher eine positive oder negative Stimmung gegenüber Österreich erzeugt/beschrieben?

Fragt eure Lehrperson anschließend um eine digitale Version der Artikels und ladet den Text auf http://voyant-tools.org/ hoch.

  • Probiert dort die Tools Cirrus, Links und Document Terms aus. 
  • Nutzt bei Bedarf die Voyant-Hilfeseite unter https://voyant-tools.org/docs/.
  • Was könnt ihr damit über den Text und wichtige Wörter herausfinden?
  • Fasst die wichtigen Wörter auf einer Folie zusammen und speichert eine Voyant-Grafik, die euch interessant erscheint.

Texte für die Gruppen

Gruppe 1

13. November 1918

Deutsches Volksblatt, S. 2

„Die Volksrepublik Deutschösterreich“

Die Volksrepublik Deutschösterreich.

Wien war gestern Zeuge einer gewaltigen politischen Kundgebung, wie sie unsere Stadt bisher noch nicht erlebt hat. Im Parlamentsgebäude wurde im bisherigen Sitzungssaals des Herrenhauses die deutschösterreichische Volksrepublik aus der Taufe gehoben und vor dem Parlamentsgebäude, auf der Ringstraße, fluteten im ununterbrochenen Zuge Tausende und Abertausende vorüber, die durch ihre Anwesenheit bekunden wollten, daß die sich vollziehende Umgestaltung der Ausdruck ihrer Überzeugung und ihres Willens ist, daß sie nicht nur den Wunsch haben, daß das deutsche Gebiet des alten österreichischen Staates eine freie Selbstverwaltung erhalte, sondern daß das ­selbe künftighin einen Teil des großen deutschen Reiches' bilden solle. Die Rede, mit der der Staatskanzler Dr. Renner den Gesetzentwurf begründete, durch dessen Annahme der Grund gelegt werden soll für den Neuaufbau des Staates, hat die einmütige Zustimmung der Deutschen Nationalversammlung gefunden. Es ist ja auch vollkommen richtig, daß Deutschösterreich nicht nur einem Zuge der Herzen, sondern gleichzeitig auch der bitteren Not gehorcht, wenn es sofort bei seinem Entstehen engsten Anschluß an das Deutsche Reich sucht, das mit Österreich-Ungarn durch mehr als vier Jahre Schulter an Schulter gegen die gemeinsamen Feinde gekämpft hat. Wenn Deutschösterreich bei der vollen Wahrung des nationalen Selbstbestimmungsrechtes, wie das bisher geschah, auf den hartnäckigen Widerstand des tschechoslowakischen Staates stieß, wenn es sich außertstande sieht, seine Ernährung zu sichern, dann bleibt nichts anderes übrig, als ein rascher Entschluß, und den hat die gestrige Nationalversammlung gefaßt. Es war ein erhebender, unvergeßlicher Augenblick, als die Versammlung einmütig sich für die Schaffung der Volksrepublik Deutschösterreich als Teil der großen deutschen Republik aussprach und damit auch dem Grundsätze zustimmte, den der Staatskanzler Dr. Renner in seiner Rede vertreten hatte und der in besonders eindringlicher Weise in dem noch gestern an das deutschösterreichische Volk gerichteten Aufruf betont wird, der Grundsatz, daß in der gemeinsamen Not Bürger, Bauern und Arbeiter Deutschösterreichs in treuer Gemeinschaft zusammenstehen müssen.

Leider ist die gestrige großartige und wirklich überwältigende Kundgebung nicht ohne Mißton geblieben. Die Elemente, die Gegner der Schaffung einer demokratischen Republik sind, die den extremsten Standpunkt einnehmen und anarchisch-kommunistische Ziele verfolgen, haben den Versuch unternommen, die

Einheitlichkeit der gestrigen Feier zu stören. Dadurch, daß es infolge eines Regiefehlers einer Gruppe von Anhängern der eben gekennzeichneten Richtung gelungen war, einen Teil der Parlamentsrampe zu besetzen, war es möglich, die vom Säulenvorbau des Gebäudes aus erfolgende Verkündigung der soeben im Beratungssaal gefaßten Beschlüsse zu stören. Auch die feierliche Hissung der rot-weiß-roten Staatsflagge wurde insofern verhindert, als das Fahnentuch, bevor

es aufgezogen werden konnte, durch Abtrennung des weißen Teiles verstümmelt wurde. Dieser durch Unduldsamkeit gewisser Radikaler herbeigeführte

Zwischenfall wirkte einigermaßen verstimmend, war aber doch mehr oder minder harmloser Natur. Viel bedenklicher war aber dann die durch das Vorgehen einer bewaffneten Abteilung hervorgerufene Schießerei vor dem großen Portikus der Parlamentsrampe, die sich abspielte, als die Nationalversammlung ihre Beratung wieder aufgenommen hatte, um die weiteren Gegenstände der Tagesordnung

der gestrigen Sitzung zu erledigen. Der Anlaß der im Berichte geschilderten Szene konnte nachträglich nicht völlig klargestellt werden. Es war von Mißverständnissen die Rede. Auf jeden Fall ist durch das Hineinschießen in die Räume des Parlamentes ein schweres Unrecht begangen worden und der Vorfall hätte der Ausgangspunkt einer Panik werden können, die angesichts der vor dem Parlamente angesammelten Volksmassen unabsehbare Folgen hätte haben müssen. Durch die Ereignisse der letzten Woche ist dem Volke Deutschösterreichs die vollste politische Freiheit gegeben worden. Es ist nun an ihm, sich dieser Freiheit würdig zu erweisen.

 

Gruppe 2

23. April 1921

Allgemeiner Tiroler Anzeiger, S. 1

„Die Volksabstimmung über den Anschlußwillen Tirols“

Die Volksabstimmung über den Anschlußwillen Tirols.

Morgen findet in Nordtirol und Lienz die Volksabstimmung statt über die Frage: Wird der Anschluß an das Deutsche Reich gefordert?

Die Tiroler Landesvertretung, von der auch die Anordnung zu dieser Volksabstimmung ausgegangen ist, hat trotz mancherlei Schwierigkeiten an der Durchführung der Abstimmung festgehalten. 

Welches ist nun die Bedeutung der morgigen Volksabstimmung?

Die morgige Abstimmung hat nicht die Bedeutung, daß damit der Anschluß an Deutschland bereits erklärt wird. Eine staatsrechtliche Bedeutung kommt ihr nicht zu. Nach dem Friedensvertrag von St. Germain hätte das Land kein Recht, auf Grund einer Abstimmung den Anschluß an Deutschland eigenmächtig vorzunehmen. Nach Art. 88 des Friedensvertrages hat Deutschösterreich aber das Recht sich an den Völkerbund mit dem Ansuchen um Zulassung seines Anschlusses an das Deutsche Reich zu wenden. Die notwendigen Voraussetzungen für einen solchen Schritt beim Völkerbund verlangen aber, daß in den einzelnen österreichischen Ländern Klarheit darüber geschaffen wird,ob man überhaupt zum Deutschen Reich kommen will oder nicht. Bevor das nicht geschehen ist, könnte von dem Rechte des Art. 88 des Friedensvertrages von St. Germain überhaupt kein Gebrauch gemacht werden.

Dies die Bedeutung und der Zweck. der morgigen Abstimmung. Wenn in der vielfach stürmischen Agitation der letzten Zeit in der Bevölkerung der Eindruck erweckt wurde, der möglichst einstimmig kundgegebene Anschlusswille bedeute bereits den Anschluß und das Fallen der Grenzpfähle und die Rettung aus unserem heutigen Elend, so bedeutet das einen bedauerlichen Fehler, der zu Enttäuschungen führen muß.

Die Agitation für die Anschlußabstimmung war eine überaus intensive und stürmische, so daß es den Anschein bot, als müßte die Idee erst dem Volke beigebracht werden. Leider geschahen auch sehr beklagenswerte Übergriffe, Wenn man jeden Andersdenkenden, jeden, der auch nur die Opportunität der Volksabstimmung und den zeitgemäß gewählten Moment derselben in Zweifel zog, oder aus den die Drohungen der Entente einen tiefern Eindruck übten, bereits zum Verräter stempelt, so ist auch das wieder ein großer Fehler. Bei Schweizer Volksabstimmungen, so haben wir uns sagen lassen, vollzieht sich die Aufklärung und Agitation in überaus einfachen und ruhigen Formen. Es sprechen jeweils nur zwei Referenten. Der eine trägt das vor, was für den Antrag spricht, der andere unterbreitet die Gegengründe. Sich das Urteil zu bilden und über seine Entscheidung schlüssig zu werden überläßt die freie Schweiz dem gereiften Urteil der patriotischen Gesinnung jedes einzelnen Bürgers. So wird es vermieden, daß die Leidenschaften aufgepeitscht und die Leute gegeneinander aufgehetzt werden.

 

Leider ist bei uns gegen diese wahrhaft freie Methode gröblich gesündigt worden. Man mag z, B. betreff der Politik des „Tiroler Volksbote" eine andere Meinung haben. Wer in einem freien Staat und bei Gelegenheit einer Abstimmung, welche darauf abzielt, unserm Volke gerade das Recht der freien Selbstbestimmung zu erstreiten, sollte die freie Meinungsäußerung schon auch dem „Volksboten“ erlaubt sein. Die sozialdemokratische Zeitung durfte in gröblichster Weise gegen jene Mitbürger losgehen, die ihr nicht zu Gesicht standen. Auch bürgerliche Blätter kargten nicht mit Invektiven und Vernaderungen. Ihnen setzte weder die öffentliche Gewalt noch der Werbeausschuß die empfehlenswerten Schranken. Unterließen diese Stellen das Eingreifen gegen die andern, so hätten sie auch für die freie Meinungsäußerung beim „Volksboten", welcher weitaus das gelesenste Blatt des ganzen Landes ist, auftreten müssen. Sie haben es nicht getan. Dem Terrorismus blieb freie Hand gelassen, der es wirklich zustande brachte, das Blatt in dieser Woche zu unterdrücken. Dieser Terrorakt gegen den „Volksboten“ ist der schwärzeste Punkt im Geschehen der abgelaufenen Woche.

Wenn wir wirklich frei sein wollen und ein einig Volk von Brüdern, dann müssen wir gegenseitig unsere Meinung achten lernen und wir müßten eifersüchtig dafür

sorgen, daß die freie Meinung geschützt wird. Im Ausland würden wir an Achtung nur gewinnen und auch das Gewicht von Kundgebungen wie die morgige sein wird, würde nur gewinnen.

Die Agitation ist in ihrem Eifer, wie gesagt, mehrfach etwas irre gegangen. Bei fast jedem Schlußwort der Reden ward z. B. der Geist Andreas Hofers herangezogen. Nun ist es doch Tatsache, daß der Geist Andreas Hofers sich keinesfalls mit dem vereinbaren läßt was die sozialdemokratische „Volkszeitung“ der Anschlußabstimmung als Idee und Ziel zugrunde legt. Abgesehen davon, daß Andreas Hofer im Heldenjahre 1809 auf die nördlichen Nachbarn zeitweise gar nicht gut zu sprechen war und man aus diesem Gesichtspunkte gerade ihn als Kronzeugen für den Anschluß nicht heranziehen dürfte, war Hofer ganz entschieden unerschütterlich in seiner Anhänglichkeit an den Kaiser und er gehörte ganz entschieden auch zum »klerikalen Klüngel« im damaligen Tirol, zum „klerikalen Klüngel“, auf den es heute die sozialdemokratische Presse und ihre Anhänger so scharf haben.

Nun, das sind Verstöße, die man dem Eifer für die Sache zugute halten mag.

Es handelt sich um eine wichtige und große Sache. Die morgige Abstimmung ist keine Kleinigkeit. Wir sind nicht der Ansicht, daß es genügt, das Volk einfach mit begeisterten Reden und festlichen Aufzügen, mit Musik und Massenentfaltung in gehobene Stimmung zu bringen und fortzureißen. ES handelt sich um das Schicksal unseres lieben Vaterlandes.

Es handelt sich um das Schicksal unseres lieben Volkes. Und da muß jeder, bevor er zur Abstimmung

schreitet, mit sich ernstlich zurate gehen. Die Hurrastimmung allein tut es nicht.

Wir katholischen Tiroler – und für diese wird ja in erster Linie diese Zeitung geschrieben — werden uns in diesen entscheidungsvollen Stunden ein bißchen an unsern lieben Herrgott wenden. Wir werden einen Augenblick Rücksprache zu halten suchen mit dem göttlichen Bundesherrn des Landes, mit dem göttlichen Erlöserherzen, dessen ehrwürdiges Bild die Hauptstadtpfarrkirche birgt. So haben unsere Altvordern in kritischen Tagen des Landes Erleuchtung gesucht, dort haben sie Mut und Kraft gewonnen. Auch wir werden das brauchen.

Und schließlich — mag einer die Abstimmung in diesem Augenblick für praktisch halten oder nicht, mag er sie gewünscht haben oder nicht - morgen wird sie sein. Mit dieser Tatsache muß jeder rechnen.

Und wie soll er sich Verhalten?

Das ist jetzt die große Schlußfrage.

Gar mancher Freund und manche Freundin, die auf die laute Agitation und auf die Suggestion der Massen wenig gehalten, hat uns gefragt: Was soll ich eigentlich tun, was ist das Rechte?

Darauf gibt es heute nur mehr die eine Antwort:

Bedenke, daß du ein Deutscher bist!

 

Gruppe 3

10. März 1938

Tiroler Anzeiger, S. 1

„Ans Heimatland, ans teure, schließ dich an!“

Mander es ist Zeit!

Mit dem denkwürdigen Wort Andreas Hofers von 1809, als er den Feldruf zur Befreiung und Freiheit des Landes gab, hat Bundeskanzler und Frontführer Dr. Schuschnigg seine gestrige Rede im Innsbrucker Stadtsaal geschlossen, eine Rede in historischer Stunde, getragen von der ganzen Verantwortung eines Mannes, dessen Haar in der Sorge um Österreichs Volk bleich geworden ist.

Tirols Volk wird die Entscheidung verstehen, vor die es gestellt ist. Nach vier Jahren wird Österreich erstmals wieder zur Urne gerufen, um frei und ungezwungen sich zu jenem Österreich bekennen, für das die Besten seiner Söhne ihr Herzblut hingegeben haben, für das am 25. Juli 1934 Österreichs unvergeßlicher Kanzler Dr. Engelbert DolIfuß verblutet ist. Die Entscheidung, die wir zu fällen haben, ist die Entscheidung über das Schicksal des Landes, ist die Entscheidung über das Schicksal der Regierung Schuschnigg, ist die Entscheidung über den Weg, der von Dollfuß begonnen und von Schuschnigg fortgesetzt wurde. Es erscheint unmöglich, daß Österreichs Volk, das immer wieder in ungezählten eindrucksvollen Kundgebungen sich zu diesem Weg und Programm bekannt hat, dem Kanzler, der es rief, die Gefolgschaft versagt.

Der Ruf des Kanzlers dringt in diesen Stunden bis in das letzte Gebirgsdorf. Am 24. Februar, als der Kanzler seine bekenntnisfrohe und mutige Rede im Bundestag an das österreichische Volk gehalten hat, haben wir im „Tiroler Anzeiger" als erstes Blatt die Parole gegeben, die gestern abends der Kanzler aussprach. Wir haben damals auch die Antwort gegeben und erklärt, daß sich die Tiroler für ein freies Tirol bekennen werden. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, da die wiederholt gegebenen Treue versicherungen zum einzigen großen Bekenntnis des Landes, zum einigen Ruf Österreichs werden müssen.

Der Kanzler hat sich nicht an die Gefühlsenthusiasten, an jene Schulpflichtigen gewandt, die ihre Leistung vorerst in der Schulbank zeigen sollten, sondern er hat die reifen und verantwortungsvollen Männer und Frauen gerufen. Er wendet sich an den Verstand, nicht an das Herz und das Gemüt. Es gilt in den wenigen Tagen zu überlegen für alle, die noch nicht wissen sollten, um was wir seit Jahren gekämpft, worum Österreich und vor allem wieder Tirol seit Jahren gelitten und geopfert hat. Wenn die Tiroler vor eine so schwere und schicksalhafte Frage gestellt sind, dann treten sie zuerst hin zu ihrem Herrgott, falten ihre arbeits gewohnten Hände vor ihm und holen sich von ihm die Kraft, den Mut, die Stärke und die Begeisterung, die sie zu ihrem Bekenntnis, zu ihrer Wahl brauchen. Und wir sind überzeugt, daß dies auch am kommenden Sonntag in den Dörfern talein und talaus bis hinauf in den letzten Bergbauernhof der Fall ist. Unser bodenständiges, heimattreues, unser freiheitsliebendes und freiheitsgewohntes Volk wird nach dem Kirchgang zur Urne schreiten und dort seine Stimme für die Heimat, für Österreich abgeben.

Bis zu dieser Stunde aber heißt es: „Ohren zu, Augen auf, das Herz am rechten Fleck!" Mögen sie mit welchen Gerüchten immer krebsen gehen, mögen sie drohen, mögen sie die Fäuste ballen, die Unentwegten, sie können uns nicht schaden. Es geht nicht um irgend eines Mannes Wohl und Wehe, es geht nicht um Hab und Gut, um eine Ware oder einen Preis, es geht um Österreich. Jeder Tiroler wird in dieser Stunde wissen, und er muß es wissen, was er seinem Lande, was er seinem Herrgott und sich selbst schuldig ist, und er wird die Frage des Kanzlers beantworten, wie sie Schuschnigg selbst beantwortet hat, mit einem freudigen, hoffnungsfrohen „Ja“. 

Dieses Ja, das Bauer und Arbeiter und Bürger sprechen werden, kommt um so leichter, als es für den Frieden und die Arbeit gegeben wird. Alle, die das schwere Los der Arbeitslosigkeit tragen und auf bessere Tage hoffen, alle, die am Amboß stehen, im Büro schreiben oder hinter dem Verkaufstisch werken, alle müssen für ihr Volk zusammenstehen, so wie Tirols Arbeiter gestern zusammengestanden sind für ihr Land, für ihr Volk, weil sie wissen, daß sie damit für sich selbst zusammenstehen. Es gilt nicht zu politisieren, sondern zu bekennen. Die Zeit der Uneinigkeit und der Unruhe darf nicht wiederkehren. Die Zeiten des Zwanges und des Straßenterrors müssen vorüber sein. Darum hat der Kanzler aufgerufen, nicht, weil er muß, sondern weil er es will. In dieser harten Stunde, da der Mann, der allein die Verantwortung für Österreich trägt, zum Bekenntnis ruft, da müssen alle hinter ihn treten und müssen mit ihm in den Ruf einstimmen und ihn durch die Tat am Sonntag bekennen: Freiheit Österreich!

 

Gruppe 4

23. April 1945

Neues Österreich, S. 1

„Österreicher!“ oder „Mit vereinten Kräften“

Österreicher!

Zum erstenmal seit sieben Jahren dürft Ihr nun wieder in aller Öffentlichkeit mit diesem uns allen so teuren Namen angesprochen werden. Die von Millionen Menschen unseres Vaterlandes so lange und so heiß ersehnte Stunde der Befreiung von der nazistischen Zwingherrschaft ist gekommen.

Durch den siegreichen Vormarsch der Roten Armee ist ein großer Teil unserer geliebten Heimat den nazistischen Unterdrückern bereits entrissen, die Befreiung des restlichen Gebietes nimmt ihren Fortgang. Wir dürfen wieder Österreicher sein! Und daß wir es sind, darauf kommt nun alles an.

Denn jetzt geht es darum, aus dem unermeßlichen Leid und dem namenlosen Unglück, das der Nazismus über unser Österreichisches Volk und Land gebracht hat, den Weg in eine bessere Zukunft zu beschreiten. Das aber ist nur möglich, wenn alle heimattreuen und freiheitliebenden Österreicher einträchtig zusammenstehen und mit vereinten Kräften an den Wiederaufbau herangehen.

Auf einem Trümmerfeld von gigantischen Ausmaßen soll diese Neugestaltung sich vollziehen. Jeder Österreicher und vor allem jeder Wiener weiß, was es bedeutet, unter den gegebenen Verhältnissen unsere Ernährung zu sichern, die Verkehrsmittel wieder in Gang zu setzen, die Wohnungsfrage zu lösen, Licht, Gas- und Wasserleitung in Ordnung zu bringen, Gewerbe, Industrie und Handel

aktionsfähig zu machen, Gesundheits- und Wohlfahrtswesen wieder aufzubauen, das gesamte Schul- und Unterrichtswesen auf neue Grundlagen zu stellen. Und damit sind ja nur einige der allerdringlichsten Probleme aufgezählt.

Es sind ungeheure Aufgaben‚ die wir zu meistern haben. Wir werden sie lösen, wenn die Einheit des Volkes, deren Grundlagen schon im gemeinsamen Widerstand gegen den Naziterror geschaffen wurden, jetzt auf jede Weise gefördert und gefestigt wird. Das österreichische Volk will leben! Die Kräfte, die genügt haben, die Befreiung Wiens so rasch zu ermöglichen, rechtfertigen die Zuversicht, daß wir stark genug sind, aus eigener Kraft unser weiteres Schicksal als selbständiger Staat zu gestalten. Mag das riesige Aufbauwerk, vor dem wir nun stehen, noch so schwierig sein, es wird gelingen‚ wenn alle antifaschistischen, demokratischen und patriotischen Österreicher ohne Unterschied der Partei und Weltanschauung einträchtig zusammenstehen. Jetzt gilt es, nicht das Trennende, sondern das Einigende voranzustellen!

In der Wiener Stadtverwaltung haben sich Vertreter aller demokratischen Parteien zu einer verheißungsvollen Arbeitsgemeinschaft zusammengefunden. In der Herausgeberschaft und Redaktion dieser ersten im befreiten Österreich erscheinenden Tageszeitung hat sich der gleiche Zusammenschluß vollzogen. Endlich kann in Österreich wieder eine Zeitung erscheinen, die nicht das Werkzeug gleichgeschalteter Lüge, sondern das Sprachrohr demokratischer Wahrheit ist. Diese Zeitung ist zugleich ein Ausdruck des Zusammenwirkens aller demokratischen Kräfte unseres gemeinsamen Vaterlandes.

So sollen und müssen alle Schichten und Richtungen unseres österreichischen Volkes zusammenstehen, um auf gemeinsamem Wege und in gemeinsamen Bemühungen zu dem zu gelangen, was der Name dieser Zeitung besagt: zu einem neuen Österreich.

 

Gruppe 5

15. Mai 1955

Arbeiter-Zeitung

(Extra-Ausgabe), S. 1–2

„Der Tag der Freiheit“

Der Tag der Freiheit

Österreich ist frei! Der große Augenblick, so lange ersehnt, uns so lange leidvoll versagt, ist endlich gekommen. Mit ihrer Unterschrift haben heute im Belvedere in Wien die Außenminister der vier Mächte, die das Land seit zehn Jahren besetzt hielten, Österreich seine Freiheit gegeben. Wie die tausende freudig erregten Menschen, die sich heute vormittag in den Straßen um das Belvedere drängten, um Zeuge der historischen Stunde zu sein, so fühlt das ganze Österreichische Volk. Die Fahnen, die Glocken, die lachenden Gesichter verkünden es: der große Tag, der Tag der Freiheit ist da!

Der Staatsvertrag ist unterzeichnet, Österreichs Souveränität ist wiederhergestellt, seine Unabhängigkeit gesichert. Die Besatzungstruppen ziehen ab, alle Verletzungen der Staatshoheit, die Einmischungen in die Gerichtsbarkeit haben ein Ende. Die letzten Kriegsgefangenen, alle die verschleppten Opfer fremden Faustrechtes kehren heim. Österreich verfügt wieder über seine Bodenschätze, über seine industrielle Produktion, das Kolonialdiktat wirtschaftlicher Ausbeutung durch fremde Mächte ist beseitigt. Österreich ist wieder Herr in seinem eigenen Haus.

Wir wollen an diesem Freudentag nicht noch einmal die Erinnerung an den Leidensweg heraufbeschwören, den Österreich in sieben Jahren faschistischer Unterdrückung und dann in den zehn Jahren der Besetzung zu gehen hatte. Es waren harte Zeiten, und wir haben sie nur ertragen, weil wir an Österreich glaubten und weil uns die Freiheit der schwersten Opfer wert war. Heute ist es eine Gewißheit: Daß das österreichische Volk schließlich diesen Tag der Freiheit erlebt hat, verdankt es vor allem sich selber: weil es fest geblieben ist, weil es in selbstgewählter Disziplin allen Lockungen und Drohungen widerstanden hat, wurden seine Erwartungen zuletzt erfüllt. In dieser Bewährung liegt alle Hoffnung für die Zukunft.

Die österreichische Unterschrift auf dem Staatsvertrag ist nicht die widerwillige, mit allen möglichen Vorbehalten gegebene Unterschrift eines Besiegten, der sich dem Zwang der Sieger unterwirft. So wie der österreichische Außenminister das Dokument als Gleicher unter Gleichen unterzeichnet hat, so auch in völliger Freiheit und Freiwilligkeit, und es kann kein Zweifel sein, daß das österreichische Volk durch sein Parlament dem Vertrag seine Zustimmung geben wird. Gewiß, der Staatsvertrag bürdet uns auch Lasten auf, an denen wir viele Jahre zu tragen haben werden, aber es ist zuletzt in zähen Verhandlungen, sowohl in Moskau wie nun in Wien, doch gelungen, seinen Inhalt so zu gestalten, daß er die Lebenskraft Österreichs nicht gefährdet und uns ein sicheres Fundament schafft, auf dem wir weiterbauen können. 

Und was vielleicht das wichtigste ist: es mutet uns keine Opfer an Gesinnung zu. So wie er die demokratischen und sozialen Institutionen anerkennt, die wir uns geschaffen haben, so ändert er auch nichts an unserem Bekenntnis zu den Idealen der Demokratie und an unserer Verbundenheit mit der freien Welt. Daß der Staatsvertrag das gemeinsame Werk der Mächte ist, die heute noch sonst in der Welt im schroffen Gegensatz einander gegenüberstehen, gibt uns und der ganzen Menschheit verstärkte Hoffnung auf die friedliche Lösung aller Konflikte. Er gibt Österreich eine neue bedeutsame Mission: durch sein Beispiel für die Verständigung und den Frieden zu wirken. 

Die Freiheit hat ihren Preis und sie hat gewiß auch ihre Probleme. Es wird uns schon einige Mühe kosten, nach den vielen Jahren der Unterdrückung und der Bevormundung nun wieder auf eigenen Füßen zu stehen, unsere Grenzen selbst zu verteidigen, auch ohne fremde Hilfe unsere Wirtschaft in Ordnung zu halten. Aber allein das Gefühl der Sicherheit, nicht mehr vor fremder Willkür zittern zu müssen, nicht mehr täglich neue Gefahren oder neue Schikanen fürchten zu müssen, wird uns die Kraft geben, alle die Schwierigkeiten zu meistern und das große Werk zu vollenden: dem freien und unabhängigen Österreich seinen Platz in der Familie der Völker zu sichern. Jetzt erst recht wird es darauf ankommen, daß das ganze Volk, Arbeiter und Bürger und Bauern, zusammenhalten, miteinanderarbeiten, um gemeinsam den Preis der Freiheit zu zahlen, der ihnen gemeinsam das Glück der Freiheit bringt. Österreich ist frei! Möge sein Volk sich der großen Stunde würdig erweisen!

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